Theorie

Zum Schluss noch etwas Theorie:

Lernortkooperation und Projektunterricht als Innovationspotential

In einer aktuellen Veröffentlichung des Forschungsinstituts Betriebliche Bildung heißt es: „Die duale Berufsausbildung soll heute wegen der veränderten betrieblichen und gesellschaftlichen Anforderungen flexibler, ökonomischer und individueller gestaltet werden. Auf Grund dieser Ansprüche an das duale System entwickeln Betriebe und Berufsschulen zunehmend ein Interesse an der Neugestaltung ihrer Kooperationsbeziehungen. Zur Ausweitung und Intensivierung müssen sie allerdings selbst die Kooperationen initiieren und gestalten. Sie haben dann die Chance, neue Schnittstellen zu schaffen, die einen offenen Austausch von Interessen, Wissen und Materialien sowie die Bearbeitung gemeinsamer Probleme und die Entwicklung gemeinsamer Vorhaben ermöglichen“.

Berufsschulen und Ausbildungsbetriebe werden dabei als zwei unterschiedliche Bezugssysteme begriffen, an deren Schnittstelle Innovation systematisch entstehen kann. Lernortkooperationen sollen selbst zum „Motor beständiger Innovationen“ werden. Letzteres könnte auch zu einer Institutionalisierung der Lernortkooperation und zum Aufbau einer Kooperationskultur führen, wenn es von Ausbilder und Berufsschullehrern gewollt ist und eine Gleichartigkeit und Regelmäßigkeit entwickelt. Letzeres gilt jedoch nur dann, wenn die Lernortkooperationen von den Akteuren gewollt und getragen werden, da die Ausbilder und Berufsschullehrer nicht nur die agierenden Experten sind, sondern diese Schnittstellen zwischen Schule und Betrieb auch selbst gestalten müssen. (Vgl. ebenda)

Nach den Ergebnissen des bayerischen Modellversuchs ”Verbesserung der Kooperation zwischen Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben im dualen System der Berufsausbildung (kobas)” sind es fünf Gründe, die für eine enge Zusammenarbeit der Partner in der beruflichen Bildung sprechen:

  • Sicherstellung einer qualifizierten Ausbildung unter Berücksichtigung der neuen „offenen“ Lehrpläne
  • Stärkere Verzahnung von Theorie und Praxis durch abgestimmte bzw. gemeinsame Bildungsangebote
  • Positive Wirkung auf das Verhalten der Auszubildenden
  • Effektivere Nutzung sachlicher und personeller Kapazitäten
  • Positionierung der Berufsschule als Dienstleister im Bereich der Aus- und Weiterbildung (http://www.bibb.de/dokumente/pdf/seite_wlk_foko1_kobas_ein-jahr-danach.pdf).

Als Voraussetzungen hierfür wurden u. a. genannt:

  • Die Lernortkooperation muss von Seiten der Schulleitung als ein für die pädagogische Arbeit der Schule wichtiges Thema gesehen werden (Stichwort: Schulentwicklung).
  • Lehrer und Ausbilder müssen die duale Ausbildung als gemeinsame Aufgabe betrachten, nicht nur aus dem Blickwinkel des jeweiligen Lernorts.
  • Die Themen der Kooperationsarbeit müssen sich am konkreten Bedarf aller Beteiligten orientieren. Insbesondere die dualen Partner müssen einen Mehrwert der Arbeit erkennen.
  • Lernortkooperation darf kein Selbstzweck werden; die Arbeit muss bedarfsorientiert, zeitlich begrenzt und ergebnisorientiert sein (Ebenda).

Im vorliegenden Projekt konnten diese Überlegungen weitgehend realisiert und belegt werden.

Insbesondere war für die Kooperationspartner Betrieb (Ausbildung neuer Qualifikationen der eigenen Auszubildenden und u.U. gedankliche Anstöße zur Weiterentwicklung der eigenen Produktlinie „EasyCredit“) und Schule (Experimente mit neuen Unterrichtsformen, ggf. Einbringen der Untersuchungsergebnisse in den Fachunterricht) der potentielle Mehrwert des Projektes klar erkennbar.

Wesentlich für den Projekterfolg war aber auch, dass ein solcher Mehrwert auch für die Projektteilnehmer/innen ersichtlich, spürbar und erlebbar war (Neugierde, Forschungsdrang, fortwährende Erkenntnisfortschritte, Untersuchen einer lebensnahen Situation).

Ein für die Projektteilnehmer/innen derzeit noch nicht erfahrbarer, sicherlich aber im Nachhinein erkennbarer Nutzen liegt neben dem Erwerb team- und projektorientierter Handlungskompetenzen und diesbezüglicher Erfahrungen vor allem in der ersten Heranführung an wissenschaftliche Arbeits- und Vorgehensweisen und im positiven Erlebnis gemeinsam erfolgreicher Problemlösung. Diese Erfahrung ist nicht nur persönlichkeitsstärkend, sondern in der heutigen Arbeits- und Wissenschaftswelt unabdingbare Voraussetzung für individuelle und kollektive Erfolge.

Über die Vorzüge von Projektunterricht muss in der heutigen Zeit nicht mehr gesondert gesprochen werden.

Zur Vorgehensweise bei Projektarbeit und Projektsteuerung sei auf die Downloadangebote meines Projektes "Keine Azubis für UMICORE?" verwiesen (http://www.kubiss.de/bildung/projekte/schb_netz/beruf/ausbildungsmarkt.htm).

Die in der Literatur immer wieder diskutierten Vorteile des Projektunterrichts seien nur in einem Zitat von Jung angesprochen:

„Projektpädagogische Lehr-/Lernprozesse befähigen Lernende zum Lösen komplexer Problemstellungen. Wesentliches Element bildet der demokratische Diskurs über Ziele und Verfahrensweisen, aus dem Selbstorganisation und Selbstverantwortung erwachsen. Dabei werden erzieherisch wertvolle Erfahrungen erworben, problemlösende Denk- und Handlungsweisen praktiziert und antizipative Funktionen des Denkens, Handelns und Forschens erprobt, die zukünftige Problem- und Fragestellungen (Lebenssituationen) leichter bewältigen lassen. Demokratische Werte werden nicht nur intentional auf der Lernzielebene vermittelt sondern im realen demokratischen Miteinander… Damit bilden sie einen erfrischenden Kontrast zu den üblichen Ritualen der „verkopften Wissensschule", die durch eine eindeutige Rollenverteilung in „Wissende" und „Unwissende" differenziert, einhergehend mit der Angst der/des „Wissenden", als partiell unwissend entlarvt zu werden. Stattdessen ermöglichen Projekte das Erleben echter demokratischer Umgangsformen im schulischen Kontext. Damit bilden sie die Infrastruktur für demokratische Lehr-/Lernprozesse und sind Gradmesser für die intentionale Glaubwürdigkeit einer demokratischen Schule.“(http://www.sowi-online.de/methoden/lexikon/projekt-jung.htm)

Und ich darf hinzufügen: Handlungs- und Lebensorientierung sowie erlebte Eigenverantwortlichkeit, Problemlösungskompetenz und Gestaltungsfähigkeit sind damit auch Maßstab für die inhaltliche und methodische Glaubwürdigkeit lernortübergreifender Unterrichtsszenarien.

Fazit: Die Projektmethode kann die vom oben zitierten Forschungsinstitut Betriebliche Bildung geforderte neue Schnittstelle zwischen betrieblicher und schulischer Ausbildung sein. Sie leistet nicht nur die Flexibilisierung und Individualisierung von Lernprozessen, sondern - bei entsprechender Themenwahl - durch Bezugnahme auf die Handlungsbeschränkungen gesellschaftlicher Akteure auch die Ökonomisierung von Lerninhalten.

Ich darf mich für die Begeisterung, Neugierde, Arbeitsfreude und Selbstdisziplin aller meiner Schüler/innen, die gute, ergebnisoffene, pragmatische und problemlose Unterstützung des Kooperationspartners, die rückhaltlose Unterstützung durch die Schulleitung der Berufsschule 4, die Berufsbereichsleitung Banken und die Hilfe vieler Kolleg/innen an meiner und anderen beruflichen Schulen der Stadt Nürnberg bedanken, ohne die unser Projekterfolg nicht möglich gewesen wäre.

Dr. Peter Kührt

mail: p.kuehrt@kubiss.de
http://www.kubiss.de/san

abgeschlossene Projekte (Stand: 2016):
http://finanzchecker.jimdo.com/ueber-uns/linkempfehlungen/

Kaufmännische Berufsschule 4 - Schönweißstr. 7 - 90461 Nürnberg
fon: (0911)2313949 fax: (0911)2313947 mail:
https://www.nuernberg.de/internet/berufsschule_4/kontakt.html

  




Kontakt: Dr. Peter Kührt

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