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Schreckgespenst Globalisierung - Ursachen, Erscheinungsformen, Gestaltungsmöglichkeiten

Informationen und didaktisch-methodische Hilfestellungen zum Unterricht

Schreckgespenst Globalisierung

 

Arbeitsmarkt- und Tarifpolitik im Zeitalter der Globalisierung
 

Arbeitsmarkentwicklung

In den Jahren von 1960 bis 1974 schwankte die Arbeitslosenzahl in der Bundesrepublik stets zwischen 140.000 und 320.000 mit einem einzigen Ausreißer von 459.000 Arbeitslosen im Jahr 1967.

1974 stieg die Zahl von 273.000 auf 582.000 und 1975 auf 1,074 Millionen. In den Folgejahren schwankte die Zahl um die Millionengrenze, bis sie in schnellen in den Jahren 1981 (1,27), 1982 (1,8) und 1983 schließlich 2,258 Millionnen errreichte.

Die Zahl blieben auf diesem Niveau vom 2 Millionen (nur in den Jahren 1990 bis 1992 nochmals unterschritten) und erreichten in 1997 erstmals 3 Millionen.

Nach einem neuerlichen Anstieg auf 4 Millionen 1996, 4,4 Millionen 1998 (absoluter Höchstwert: 4,8 Mill. im Febr. 1998) und einem kurzfristigen Rückgang auf 3,9 Millionen in 2001 stieg die Arbeitslosenzahl um den Jahreswechsel 2002/03 rasch wieder an und liegt aktuell bei ca. 4,7 Millionen (März 2003).

Visualisierung und Vergleich mit anderen Wirtschaftsdaten: 
Arbeitslosigkeit, Wirtschaftswachstum und Inflationsrate in der BRD seit 1960 (Excel)
 

Arbeitsmarktpolitik

Arbeitslosigkeit bedeutet in der klassischen Wirtschaftstheorie, dass die Arbeitsnachfrage kleiner als das Angebot ist. In der klassischen Theorie kann dies nur daraus resultieren, dass staatliche Eingriffe oder andere Mechanismen (Mindestlöhne, Tarifverträge usw.) einen höheren Marktpreis als den Gleichgewichtspreis herbeigeführt haben. Könnte der Marktpreis auf den Gleichgewichtspreis sinken, wäre die Arbeitslosigkeit beseitigt. In der klassischen Wirtschaftstheorie existiert Arbeitslosigkeit nur als freiweillige oder friktionelle (Zeitdauer, um Stelle zu wechseln) Arbeitslosigkeit oder aufgrund von Marktfehlern (keine Transparenz, fehlende Informationen etc.).

Gewerkschaftliche Theoretiker (Vgl. z. B. ein internes Diskussionspapier von Ver.di, Michael Wendl, Entlastung des Faktors Arbeit - ein Trugschluss") weisen dagegen drauf hin, dass die Vorstellung zu hoher Lähne in Deutschland falsch sei. Vielmehr seien die Lohnstückkosten in Deutschland im internationalen Vergleich seit 1980 zu allen anderen westlichen Industriestaaten, auch den EU-Ländern, relativ gefallen. Nur Japan hätte seit 1995 noch geringe Lohnstückkostensteigerungen.

Auch die Steigerung der Lohnnebenkosten sei nicht überdurchschnittlich. Sie sei vielmehr in der rückläufigen Lohnstückkostenentwicklung enthalten.

Zudem seien zwar die Sozialausgaben gestiegen, aber nicht in dramatischem Maße. So weist Wolfram Burkhardt darauf hin, dass die Krankenkosten zwar absolut, nicht aber im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt gestiegen seien. (Vgl. Wolfram Burkhardt, Gesundheitspolitik un Rot-Grün...", in: Gewerkschaftliche Monatshefte 10-11/2002, S. 578 ff.)

"Unabhängig davon wie die konkrete Umsetzung der beiden Kommissionen (Hartz und Rürup) ausfallen wird, können derartige strukturell Reformen das Grundproblem, nämlich die mangelnde Arbeitsnachfrage als Folge von binnenwirtschaftlichem Nachfragemangel, nicht lösen. Hierzu ist vielmehr eine gesamtwirtschaftliche Strategie notwendig." (DIW-Wochenbericht 1-2/2003, S. 33)

Aus Sicht der Keynesschen Theorie kann somit nicht eine Deregulierung des Arbeitsmarktes das Problem Arbeitslosigkeit lösen, sondern nur die die Steigerung der privaten und staatlichen Nachfrage. Im Gegenteil: "Letztlich führen die Maßnahmen zur 'Verbilligung' des Faktors Arbeit zu sinkender effektiver Nachfrage. Darüber verschärfen sie die Wirtschaftskrise und  vergrößern die Arbeitslosigkeit." (Michael Wendl, Entlastung des Faktors Arbeit - ein Trugschluss", internes Diskussionspapier von Ver.di, o.O. o.J. (München 2003), S. 4)

Aus neoklassischer Sichtweise gehen die Vorschläge von Peter Hartz zwar in die richtige Richtung, greifen aber zu kurz, weil sie das System der Lohnfindung insgesamt nicht nur Disposition stellen. Aus gewerkschaftlicher Sicht sind die geplanten Maßnahmen bestenfalls wirkungslos, im schlechtesten Fall vergrößern sie die Arbeitslosigkeit, "weil sie durch die Ausweitung und Stärkung des Niedriglohnsektors das Tarifvertragssystem insgesamt unter Druck setzen und die Erosion der Flächentarifverträge beschleunigen." (Michael Wendl, Formierte Gesellschaft?, GMH 10-11/2002, S. 628)

Es kann und soll jedoch nicht verschwiegen werden, dass die beschriebene Gewerkschaftsposition die Mehrheitsmeinung innerhalb der Einheitsgewerkschaften nur zu einem Teil repräsentiert. In den 90-er Jahren kam es zur schrittweisen Auflösung der gewerkschaftlichen Lohntheorie, die in den 70-er Jahren noch durch das Konzept einer solidarischen Lohntheorie bzw. einer "Nachfragetheorie" des Lohnes geprägt war. Galt noch bei in die 90-er Jahre hinein das Konzept des Reallohnanstieges im Verhältnis zum Produktivitätszuwachs, so läuteten die Lohnabschlüsse der Jahre 2000 und 2001 auf gewerkschaftlicher Seite einen Paradigmenwechsel ein, wurde hier doch erklärtermaßen ein relativer Lohnverzicht aus beschäftigungspolitischer Sicht geübt. Dies beinhaltet ein Verständnis von Lohn als Kostenfaktor und nicht als Nachfragefaktor. (Vgl. Michael Wendl, Jenseits des Tarifgitters, PROKLA, Heft 129, S. 542 ff.)

Größere Teile der Gewerkschaften aber auch immer größere Teile der Bevölkerung in Deutschland (Vgl. Hessen- und Niedersachsen-Wahl vom Febr. 2003) erwarten nicht mehr von Keynes', sondern von angebotsorientierten und letztlich neoklassischen Ansätzen eine Gesundung der Wirtschaft und einen Abbau der Arbeitslosigkeit. 

Politik aktuell

Ganz konkret fordern die Arbeitgeberverbände derzeit die Einführung von jährlich 500 unbezahlten Arbeitsstunden und die Verlängerung der Wochenarbeitszeit.

Viele Wirtschaftssachverständige, aber auch CDU, CSU und FDP, plädieren für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, eine Deregulierung der Wirtschaft (insbesondere Lockerungen im Kündigungsschutz und in der betrieblichen Mitbestimmung), eine steuerliche Entlastungen von Unternehmen und Privathaushalten, weniger staatliche Bürokratie und generell den Rückzug des Staates aus dem Wirtschaftsleben.

Der Wirtschaftsminister denkt derzeit ebenfalls über eine Lockerung der Kündigungsfristen nach. So soll die Befreiung vom Kündigungsschutzgesetz, die derzeit nur für Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern gilt, auf weitere Unternehmen ausgeweitet werden.

Der frühere Kanzler-Intimus Bodo Hombach („Aufbruch – die Politik der Neuen Mitte“) spricht sich für eine aktivierende Sozialpolitik aus, eine aktivierende ökologische Standortpolitik, die Vereinfachung des Steuersystems und drastische Steuersenkungen. Er fordert eine Abkehr vom „allumsorgenden“ Sozialstaat und eine Umorientierung auf eine individuelle Daseinsvorsorge.

Im Einzelnen thematisiert er fünf Reformbereiche bzw. Themenbereiche für ein von ihm gefordertes neues „Bündnis für Arbeit“:

  • die Ausgestaltung einer beschäftigungsorientierten Lohnpolitik
  • die Senkung der Lohnnebenkosten zusammen mit einer Steuerreform
  • die Modernisierung des Wohlfahrtsstaates inklusive Einführung eines Kombilohnes für Niedrigverdiener und eine verstärkte Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen
  • differenzierte Arbeitszeitverkürzungen
  • eine Neugestaltung der betrieblichen Mitbestimmung

  • (Ders., Aufbruch – die Politik der Neuen Mitte, München 1998, S. 124 f.).
Dieser Reformansatz unterstellt, dass sinkenden Lohnnebenkosten die Angebotsbedingungen verbessern und infolge sinkender Sozialbeiträge und Steuern dann auch über steigende Nettolähne die Nachfrage stimulieren.

Downloadangebot: Hensche, Wer sich in den Markt begibt, Gewerkschafltiche Monatshefte 10-11/2002, S. 568 ff. (Word)

Tarifvertragspolitik

Wie begegenen Gewerkschaften und Arbeitgeber bzw. Arbeitgeberverbände dem internationalen Standortwettbewerb?

Die Tarifvertragsparteien können sich einmal auf niedrigere Lohnabschlüsse und Abstriche bei Manteltarifverträgen verständigen, um der Unternehmerseite Kostenreduzierungen zu ermöglichen, sie können aber auch generell Öffnungsklauseln definieren, damit in Einzelfällen Arbeitgeber und Betriebsräte in einzelnen Unternehmen sich auf hiervon abweichende Vereinbarungen (freiwilliger Lohnverzicht, unbezahlte Mehrarbeit, Verzicht auf Zuschläge, Änderung der Tages- oder Wochenanrbeitszeit usw.) verständigen können.

In vielen Fällen sind die Arbeitnehmer/innen und Betriebsräte angesichts einer drohenden Insolvenz von Unternehmen zu Zugeständnissen gezwungen und auch dazu bereit.

Für Unmut sorgt jedoch, dass einzelne Unternehmen solche Zugeständnisse auch mit der Drohung erzwingen, andernfalls den Standort des Unternehmens in Ausland zu verlagern.

Arbeitnehmer/innen und Gewerkschaften stehen dieser Situation bis heute ziemlich hilflos gegenüber.

"Dresdener Erklärung" des Bundesvorstandes der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD (AfA) vom Jan. 2003 (Word)

Generell ist die Argumentation der Gewerkschaftsseite aber nachfrageorientiert und im Sinne Keynes: Ein Abbau der Arbeitslosigkeit ist nur über eine verstärkte Nachfrage der Privathaushalte, ersatzweise des Staates, denkbar und möglich. Die Durchsetzung von Lohnerhöhungen dienen in diesem Sinne einer Erhöhung der Massenkaufkraft. Lohnkürzungen durch niedrige Tarifabschlüsse, Niedriglohnbereiche, Absenken von Arbeitskosenhilfe und Sozialleistungen sind somit kontraproduktiv, weil sie die Nachfrage schwächen.

Dies ist auch der Tenor der Äußerungen der DGB-Spitze nach der Hessen- und Niedersachsen-Wahl zum Jahresbeginn 2003.

Anmerkung: Dies Ausführungen können, nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Reformbemühungen und der sich überaus rasch verändernden politischen Konstellationen, nur eine Momentaufnahme sein. Sie werden in den nächsten Semestern vertieft und aktualisiert.


Links:

http://www.beigewum.at/kurswechsel/198flecker.pdf
Jörg Flecker, Das duale System der Arbeitsbeziehungen im Zeitalter der "Globalisierung"

http://www.bug.tu-berlin.de/Reader/cel.htm
Thesenpapier einer AG and er FU Berlin

http://www.igmetall.de/themen/globalisierung/
Positionen der IG Metall

http://www.icftu.org/focus.asp?Issue=globalisation&Language=EN
Positionen der InternationaIen Freien Gewerkschaften (engl.)

http://www.bundestag.de/gremien/welt/sb_glob_kurz.pdf
Kurzbericht der Enquetekommission Globalisierung des Deutschen Bundestages

http://www.spdfraktion.de/pa/wag/global/
Positionen der SPD Bundestagsfraktion

Einen kostenlosen und aktuellen Einstieg ins Thema erlaubt die Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte" zur Wochenzeitung "Das Parlament" vom 28.04.2003 (z.B. den Artikel von Peter Franz und Stefan Immerfall "Zeitlupenland Deutschland?"). Gut einsetzbar ist auch die Beilage vom 03.02.2003 zum Hartz-Konzept.

Downloadangebot: Seminaraufgaben zur aktuellen Wirtschftspolitik (Word)
 

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Dies ist sind Unterrichtshilfen des Hauptseminars "Ökonomie und Globalisierung" der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch-Gmünd! Wir sind dankbar für Kritik,  Hinweise sowie Ergänzungen und integrieren gerne uns zugesandte Informationen, Links und Unterrichtseinheiten!