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Schreckgespenst Globalisierung - Ursachen, Erscheinungsformen, Gestaltungsmöglicheiten

Informationen und didaktisch-methodische Hilfestellungen zum Unterricht

Schreckgespenst Globalisierung

 

Politische Gestaltungsmöglichkeiten der Globalisierung

Unstreitig ist sicherlich, dass die Globalisierung die autonomen politischen Handlungsmöglichkeiten des Einzelstaates schwächt.

Man könnte nun wie Markus Lusser in der Globalisierung eine wirksame Kraft sehen, "die die Monopolstellung des Staates als 'Regelsetzer' schwächt, weil sie den Wettbewerb zwischen den Staaten um mobile Produktionsfaktoren intensiviert und so zwangsläufig einen Aussonderungsprozess für unzweckmäßige Gesetze und Vorschriften bewirkt". (Markus Luser, Nationale Geldpolitik zwischen Regionalisierungs- und Globalisierungstendenz, in: Reinhold Biskup [Hrsg.], Globalisierung und Wettbewerb, Stuttgart  1996,  S.22)

Luser sieht in der Globalisierung also ein globales marktwirtschaftliches Korrektiv für unzweckmäßiges nationalstaatliches politisches Handeln.

Will man jedoch die immensen ökonomische, sozialen und ökologischen Folgen der aktuellen Entwicklung zu einer beschleunigten und immer grenzenloseren Weltwirtschaft auch nur annähernd in den Griff bekommen, dürfte das Vertrauen auf eine ungezügelte und schrankenlose Marktwirtschaft, die ihrerseits die Politik der Nationalstaaten zum Wohlergehen aller Menschen positiv beeinflusst und steuert,  wenig erfolgversprechend sein. 

Massenarbeitslosigkeit und kränkelnde Sozialsysteme in den Industrieländern, strukturelle Ungleichgewichte im Welthandel, Armut in der Dritten Welt und eine ökologische Bedrohung von Erde und Menschheit werden wohl kaum durch Freihandel und wirtschaftlichen Liberalismus alleine gegenstandslos werden.

Was also ist zu tun?

Was kann getan werden?

Die Gruppe von Lissabon, 22 renommierter Personen aus zahlreichen Ländern mit Erfahrungen in Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, die die Globaliserung der Wirtschaft als einen, aber den wichtigsten Aspekt von Globalisierung begreift, plädiert für einen neuen Typ globaler Wirtschaftssteuerung und ein System kooperativer globaler Regelungen. Die Gruppe stellt sich nicht gegen den Wettbewerb schlechthin, sondern lehnt nur die Auswüchse eines ungezügelten Turbo-Kapitalsmus ab und benennt die Steuerungsdefiizite marktwirtschaftlicher Systeme.

Exzessiver Wettbewerb stellt sich nach ihrer Ansicht dann selbst in Frage und stößt dort an strukturelle Grenzen, wenn bzw. wo er keine Lösungen bietet, die Probleme vielmehr manchmal sogar mit verursacht:

  • sozio-ökonomische Ungleichkeiten innerhalb einzelner Staaten und zwischen Staaten sowie die politische und ökonomische Marginalisierung des größten Teils der Erde und der Menschheit
  • Ausbeutung udn Schädigung globaler Ökosysteme
  • Machtkonzentration in Gestalt kaum zu kontrollierender ökonomischer Eliten und multinationaler Unternehmen.

  • (Vgl. Die Gruppe von Lissabon, Grenzen des Wettbewerbs, o.O. o.J., Bundeszentrale für politische Bildung, S.17 ff.) 
Dass der globale Kapitalismus sich freiwillig oder automatisch selbst beschränken wird, ist nicht zu erwarten. Vielmehr verursacht und provoziert er selbst untaugliche Lösungsversuche, verstärkte also partiell die vorhandenen Probleme:
  • neue Formen des Protektionismus
  • wirtschaftlicher Nationalismus
  • Bilaterismus als Mittel, gemeinsam Konkurrenten von Märkten fernzuhalten.
Die Autoren halten daher neue ökonomische Rahmenbedingungen für erforderlich, die durch die Politik definiert und durchgesetzt werden müssen. Dies wäre einmal über die Schaffung regionaler Wirtschaftsräume denkbar, zum anderen über weltweit definierte Regularien.

Die Gruppe von Lissabon plädiert in diesem Sinne für die globale Verständigung auf gemeinsame Ziele und Proinzipien der Erdbevölkerung und die Verabschiedung von vier weltweit gültiger "globaler Sozialverträge":
 

Grundbedürfnisvertrag Beseitigung sozialer Ungleichkeiten und der Armut auf der Erde
Kulturvertrag Maßnahmen und Kampagnen zur Unterstützung von Toleranz und Dialog zwischen den Kulturen
Demokratievertrag Festlegung ökonomischer Strukturen und sozialer Standards und Ziele durch eine weltweite Bürgerversamlung unter Einbeziehung der aktiven NGOs (non government organisations)
Erdvertrag Weltweite Förderungen und Durchsetzung nachhaltiger Entwicklung, insbesodnere in den Bereichen Wald, Artenvielfalt, Klima und Versteppung. 

Dabei geht die Gruppe davon aus, dass die zu beschließenden Maßnahmen kooperativ und auf die kulturelle Vielfalt abgestimmt sein müssen. Sie müssen vor einer "globalen Zivilgesellschaft" verantwortet werden und lokales mit globalem Handeln integrieren.
(Vgl. Die Gruppe von Lissabon, Grenzen des Wettbewerbs, o.O. o.J., Bundeszentrale für politische Bildung, S.169 ff.)

Nur so könne auch die gegenwärtige Ohnmacht und Legitimationskrise der politischen Systeme überwunden und ein Prozess gestoppt werden, der zunehmend die Wohlfahrt ganzer Nationen in die Hände multinationaler Unternehmen legt.

Dieses Konzept der Gruppe von Lissabon erscheint zumindest realistischer als die Visionen Bourdieu's: "Tatsächlich ist dieser verengten und kurzsichtigen Ökonomie eine 'Ökonomie des Glücks' entgegenzustellen, in der alle individuellen und kollektiven, materiellen und symbolischen Gewinne angerechnet werden..." (Pirere Bourdieu, Gegenfeuer, S.49)

Einverständnis dürften jedoch nahezu alle Autoren und Wissenschaftler darin erzielen, dass Politik ihr gestalterisches Primat zurückgewinnen und wirtschaftliches Handeln im Sinne einer auch sozialen Marktwirtschaft neu definieren und bestimmen muss. Dies gilt für die westlichen Industriestaaten genauso wie für die Länder der Dritten Welt und ebenso für die internationale Organisationen der Völkergemeinschaft. Sie alle sind hierzu aufgerufen.

Anmerkung: Der Mehrzahl der Seminarteilnehmer/innen erscheinen solche Visionen und politischen Programme als zu realtitätsfern. Sie sprechen sich eher dafür aus, individuelle Veränderungen im eigenen Lebensalltag vorzunhemen, auch wenn es sich dabei nur um kleine Schritten handelt.


Links:

http://www.eurozine.com/article/2001-03-09-sassen-de.html
(Saskia Sassen, Arbeit ohne Grenzen, Migration und Staatssouveränität)

http://library.fes.de/library/netzquelle/intgw/global/pdf/global_sozial_gerecht_7.pdf
(Die Auswirkung der Globalisierung auf die Gewerkschaftsstrukturen und -aktivitäten)

http://www.bug.tu-berlin.de/Reader/cef.htm
(Thesenpapier einer AG der FU Berlin)

http://www.attac.de/aktuell/wsf_abschluss.php
Abschlusserklärung des Weltsozialgipfel 2003

http://www.weizsaecker.de/download/wsi.pdf
(Beitrag zum Weltsozialgipfel 2003)

http://www.attac.de/aktuell/wsf_sueddeutsche.php
(Infos zum Weltsozialgipfel und Weltwirtschaftsforum)

http://www.evb.ch/index.cfm?page_id=1697&archive=none
(Infos rund um das Weltwirtschaftsforum)

http://www.derriere.de/Dossiers/Globalisierung_2d.htm
(NGOs)

http://www.oneworldweb.de/agenda21/welcome.html
(Agenda 21 Orginaltext)
 
 

Leseprobe:

"Die vertrackten Beziehungen zwischen Staat und Welt lassen sich auf unterschiedliche Weise interpretieren. Eine Variante ist die Vorstellung von Globalisierung als Prozess der Entstaatlichung. Er lässt sich an den drei zentralen Komponenten des Nationalstaates nachweisen: Das Staatsgebiet lässt sich nach außen hin immer weniger effektiv schließen, die Grenzen werden durchlässiger für Ströme von Menschen, Waren, Geld und Informationen, die von nationalen Regierungen immer weniger gefiltert werden können. Das Staatsvolk zerfällt in heterogene Bevölkerungsgruppen, in getrennte soziale Milieus und Subkulturen, deren Loyalität gegenüber dem Staat tendenziell abnimmt... 

 Weniger dramatisch ist die Konzeption von Globalisierung als querlaufende Vergesellschaftung (Zündorf 1994; 1999). Hier richtet sich der Blick auf Prozesse, die die Nationalstaaten durchziehen, deren Bevölkerungen miteinander verbinden und die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen verändern. Querlaufende Vergesellschaftungen in Form von Weltmärkten (auf denen Wirtschaftssubjekte aus verschiedenen Gesellschaften marktvermittelte Tauschbeziehungen miteinander eingehen), multinationalen Unternehmen (die Ressourcen aus verschiedenen Gesellschaften kombinieren, Produktionsprozesse länderübergreifend organisieren und ihre Produkte weltweit anbieten) und internationalen Regimen (die von Nationalstaaten Aufgaben zur Koordinierung von Beziehungen zwischen Akteuren verschiedener Gesellschaften übernehmen) entziehen sich immer mehr einzelstaatlicher Kontrolle, gewinnen eine Eigendynamik und verwandeln Nationalstaaten in Komponenten eines komplexen Weltsystems. Querlaufende Vergesellschaftungen können in Anlehnung an Schumpeter als Prozesse "schöpferischer Zerstörung" bezeichnet werden, d.h. es werden nicht nur bestehende, nationalstaatlich gebundene Strukturen zerstört, sondern auch neue, transnationale Strukturen geschaffen. Entscheidend ist dabei die Frage nach der Bilanzierung von Zerstörung und Neuschöpfung. Wen trifft die Zerstörung überkommener, wer profitiert vom Aufbau neuer Strukturen? Wer sind die Verlierer, wer die Gewinner in der - von welchen Stellen, nach welchen Kriterien berechneten und propagierten - Globalisierungsbilanz? 

 Aus der Sicht des Ansatzes der querlaufenden Vergesellschaftung sind Staaten nicht bloß Objekte, sondern auch Subjekte und aktive Mitgestalter der Globalisierung. Sie wird nicht nur von multinationalen Unternehmen und internationalen Organisationen vorangetrieben, sondern von Regierungen begünstigt, die die nationalen Wirtschaftsräume für querlaufende Vergesellschaftungen geöffnet und ihren Rückzug aus der Wirtschaft durch Privatisierung staatlicher Unternehmen, Deregulierung nationaler Märkte und Kompetenzübertragungen an internationale Organisationen eingeleitet haben. Dabei haben sie nicht nur auf externen Globalisierungsdruck reagiert, sondern auch auf die "hausgemachten" Probleme sozialpolitischer Überlastung und überbordender Staatsverschuldung, wobei sie sich von wirtschaftspolitischen Theorien und Ideologien inspirieren ließen, die eine effektivere Balance zwischen Staat und Markt versprachen (Yergin/Stanislaw 1999). 

 Mehr noch als die Antinomie von Nationalstaat und Welt scheint der Dualismus von Staat und Markt den Kern des aktuellen Globalisierungsdiskurses zu bilden. In den Auseinandersetzungen um die Bewertung der Globalisierung spielt kaum ein Begriff eine so große Rolle, ist mit so unterschiedlichen Wertungen verbunden und ruft so viele Konflikte hervor, wie der des Marktes. In den von mir unterschiedenen Konzeptionen des Staates und der Welt kommt kein Begriff so oft vor wie der des Marktes - als Grundform wirtschaftlicher Vergesellschaftung und als integraler Bestandteil freiheitlicher Gesellschaftsordnungen, als komplementäre und konkurrierende Institution (zum Staat) bei der Allokation von Gütern und Dienstleistungen, als Gegenspieler sozialpolitischer Kartelle und rent seeking-Gruppen, als Mechanismus der Zivilisierung politischer Macht und der Zerstörung sozialer Gemeinschaften, als Bedrohung tradierter Kulturen durch die Verlockungen materieller Gütern, konsumistischer Einstellungen und individualistischer Lebensstile... 

 Der Streit um die Bewertung des Marktes durchzieht die gesamte Wirtschaftsgeschichte, wobei sich die grundlegenden Argumente kaum verändert haben. Denjenigen, die den Markt als Instrument der Zivilisierung der Gesellschaft und der Rationalisierung der Politik betrachten, stehen diejenigen gegenüber, die seine zerstörerischen Wirkungen im Gesellschaftsleben und als Urheber sozialer Ungleichheit betonen. Während die einen die Kontrolle der Politik durch freie (Welt-)Märkte begrüßen, weil diese das Regierungshandeln rational beurteilen und eine vernünftige, realitätsorientierte Politik erzwingen, befürchten die anderen eine Aushöhlung der Demokratie durch illegitime Marktmacht und bestreiten die Eignung kurzsichtiger Märkte als Basis langfristig angelegter Politik. Während die einen die stimulierende Kraft des (internationalen) Wettbewerbs hervorheben, der Innovationen hervorbringt und die Bevölkerung mit immer qualitätsvolleren und preiswerteren Gütern und Dienstleistungen versorgt, betonen die anderen die zerstörerischen Wirkungen des Wettbewerbs, der immer mehr zum Selbstzweck gerät und sich auf lange Sicht selbst abschafft. Während die einen globale Märkte als Motoren wirtschaftlichen Wachstums preisen, von dem alle Länder profitieren, beklagen die anderen die Ausgrenzung zahlloser Menschen, die Zunahme sozialer Ungleichheit und die Trennung der Gesellschaft in Gewinner und Verlierer."

(aus: Lutz Zündorf, Staat und Welt als Bezugssysteme des Handelns im Prozeß der Globalisierung,
http://www.sowi-onlinejournal.de/2002-1/bezugssysteme_zuendorf.htm 21)
 

 
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Dies ist sind Unterrichtshilfen des Hauptseminars "Ökonomie und Globalisierung" der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch-Gmünd! Wir sind dankbar für Kritik,  Hinweise sowie Ergänzungen und integrieren gerne uns zugesandte Informationen, Links und Unterrichtseinheiten!

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