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A S C A B I N E T D E S D R . C A L I G A R I
" Tonfilm" im Surroundformat
Eine Neuvertonung von Michael Ammann zum 100-jährigen Jubiläum des
Films
Premiere am 23.10.2020 um 20:00 Uhr Babylon Kino Fürth
weitere Vorstellung am 25.10.2020 um 13:00 Uhr
Beide Vorstellungen mit einer kurzen Einführung und anschließendem
Publikumsgespräch.
Klangmaterial: animalaleman, Bryan Hillesheim und Michael Ammann
Klangliches Konzept, Montage und 5.1 Spationierung: Michael Ammann
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Bericht Fürther Nachrichten
KONZEPT
Die Fiktion eines Tonfilms. Die zentrale Frage für die Vertonung des
Stummfilms "Das Cabinet des Dr. Caligari" war, wie es klingen
würde, wenn es die Tonaufnahme einer Live Vertonung mit den heutigen
Möglichkeiten der elektroakustischen Klangerzeugung, während der
Dreharbeiten damals gegeben hätte, die zudem auch
die Dialoge und Geräusche der Schauspieler einbezieht.
Die Neuvertonung versucht primär das zu simulieren und mit dieser "was-wäre-wenn"
Situation zu spielen, um eine klangliche Nähe zu den filmisch-technischen
Möglichkeiten der damaligen Zeit, sowie
der stummfilmtypischen Dramatisierung, der expressionistischen Ästhetik
und der dramatischen Handlung "Caligaris" zu bewirken.
Heutige Möglichkeiten quadrophoner Elektroakustik und digitaler Montage
sollten in einer Weise einfließen, dass beim Betrachter kaum Zweifel
an der Glaubwürdigkeit dieses Zeitdokuments entstünde.
Die Montage des mehrfach frei improvisierten Klangmaterials fokussiert deshalb
folgende visuellen Momente für die Synthese aus Bild und Ton: 1) Räumlichkeiten,
Bühnenbauten (Ästhetik, Raumbeschaffenheit) und Verortung im Raum.
2) Nähe zu Handlung und Stimmung. 3) Nähe zu Mimik, Gestik und psychischen
Zuständen. 4) Klangliche Reaktion auf eine übersteigerte Dramatik
und "Caligari" = Theaterstück/"Puppenspiel". 5) Hörbare
Dialoge und Bewegungsgeräusche. 6) Sensibler Umgang mit den Möglichkeiten
einer Surroundvertonung. 7) "Der Klang entspringt aus dem Bild"
und wird nicht, wie es bei Filmmusik üblich ist, dazugelegt. 8) Simulation
einer Aufnahmequalität die nicht "neu" wirkt.
Das Klangmaterial stammt größtenteils aus Aufnahmen von elektroakustischen
Interplays zwischenanimalaleman und mir (2013) und zwischen Bryan HIllesheim
und mir aus dem Jahr 2017.
Es etablierten sich zwei Vorgehensweisen mit dem Film umzugehen. Zum einen
"Direct-to-Film" Interplays über die volle Dauer, dies mehrfach
und mit einer steigenden Vertrautheit und "Keep-in-MInd Interplays, mit
vornehmlicher Konzentration auf das Klangliche und das Zusammenspiel und dem
Versuch das Filmische in die Vorstellung zu rücken und sich assoziativ
leiten zu lassen.
KÜNSTLER UND INSTRUMENTARIUM
animalaleman (*1965 Fürth): verschiedene iOS-devices, Stimme, Keith McMillen
SoftStep, touch, programmierte und randomisierte Automationen, Yamaha i88X,
M-Audio Fast Track, MacBook, Korg Nanokontrol2, digitale 4.0 Raumsimulationen.
Bryan Hillesheim (*1966 New Jersey, USA): iPad, Alesis iO4, modifizierte Zither
/ Arturia Keylab Mini, Korg Nanofader, Akai ldp8. 2 Piezo Mikrofone. Synth
Apps: Magellan, Sunrizer, Cyclop. FX Apps: Turnado, Aufx Space, dfx. AUM.
Michael Ammann (*1967 Weiden): Stimmee, modifizierte Zigarrenkiste 2.0, McMillens
QuNeo, Steinberg Nuendo 4, GRM PlugIns, RAT Distortion.
INHALT
Das Cabinet des Dr. Caligari
Produktionsland: Deutschland
Originalsprache: Deutsch
Erscheinungsjahr: 1920
Länge: 72 Minuten
Altersfreigabe: FSK 6
Regie: Robert Wiene
Drehbuch: Hans Janowitz, Carl Mayer
Produktion: Rudolf Meinert, Erich Pommer
Musik: diverse spätere Begleitmusiken
Kamera: Willy Hameister
Besetzung:
Werner Krauß: Dr. Caligari
Conrad Veidt: Cesare
Friedrich Fehér: Franzis
Lil Dagover: Jane
Hans Heinrich von Twardowski: Alan
Rudolf Lettinger: Dr. Olsen
Hans Lanser-Ludolff: Alter Mann
Henri Peters-Arnolds: Junger Doktor
Ludwig Rex: Mörder
Elsa Wagner: Hauswirtin
Rudolf Klein-Rogge: Verbrecher
Über den Film
Gedreht wurde Das Cabinet des Dr. Caligari von der Decla-Film-Gesellschaft
Holz & Co., die 1922 von der damaligen Universum Film (Ufa) übernommen
wurde. Die Dreharbeiten, deren genauen Daten nicht überliefert sind,
fanden vermutlich ab September 1919 im Lixie-Atelier Berlin-Weissensee statt.
In dem Film wird die Geschichte des unheimlichen Dr. Caligari (Werner Krauß)
erzählt, der einen weissagenden Schlafwandler namens Cesare (Conrad Veidt)
auf dem Jahrmarkt von Holstenwall zur Schau stellt. Dieser sagt einem wissbegierigen
Besucher den Tod voraus und tatsächlich wird Alan (Hans-H. v. Twardowski)
nachts ermordet. Francis (Friedrich Fehér), dessen bester Freund und
Konkurrent um die schöne Jane (Lil Dagover), verdächtigt Caligari
und Cesare und nimmt auf eigene Faust Ermittlungen auf.
Weitere ungeklärte Mordfälle ereignen sich, schließlich soll
Jane auf Geheiß Caligaris von Cesare getötet werden. Es kommt zu
einer Verfolgungsjagd, bei der Cesare zusammenbricht, Jane gerettet wird und
Dr. Caligari in ein Irrenhaus flüchtet. Dort muss sein Verfolger Francis
feststellen, dass Dr. Caligari der Direktor der Anstalt ist. Offenbar wurde
dieser, beseelt von einem mystischen Fall aus 18. Jahrhundert, selbst verrückt
bei dem Bestreben, einem Schlafwandler seinen Willen aufzuzwingen. Schließlich
wird Caligari in eine Zwangsjacke gesteckt.
Doch mit dieser erzählten Binnenhandlung ist der Film nicht zu Ende.
Denn in derRahmenhandlung kehrt Francis, der Erzähler, in die Irrenanstalt
zurück, wo er alle Beteiligten als Insassen antrifft – ebenso wie
Caligari, der als gütiger Anstaltsleiter nun angibt, den Schlüssel
zur Heilung von Francis zu kennen. Was stimmt und wer nun wahnsinnig ist –
Caligari oder Francis – lässt der Film letztlich offen.
Zur Rezeption
Schon vor der Uraufführung am 26. Februar 1920 im Berliner Marmorhaus-Kino
sorgte der Film für Aufsehen. Mit dem Satz „Du musst Caligari werden“
wurde großflächig in Berlin geworben – zunächst ohne
Hinweis darauf, dass es um einen Film geht. Die Ankündigung, dass es
sich um den ersten „expressionistischen Film“ handeln werde, weckte
hohe Erwartungen an die künstlerische Qualität. Bis auf wenige Ausnahmen
stieß der Film auf eine begeistere Presseresonanz. Auch beim Publikum
fand er großen Zuspruch und lief im Premierenkino vier Woche am Stück.
Im Ausland erzeugte Das Cabinet des Dr. Caligari ebenfalls eine hohe Aufmerksamkeit.
In Paris, London und New York lief der Film mit großem Publikumszuspruch.
Gerade bei den früheren Gegnern des 1918 zu Ende gegangenen Ersten Weltkrieges
polarisierte der erste Erfolgsfilm des Weimarer Kinos, für dessen Neuartigkeit
der Begriff „Caligarismus“ geprägt wurde.
Das Cabinet des Dr. Caligari zählt zum Kanon der Filmklassiker. Siegfried
Kracauers sozialpsychologische Schrift „Von Caligari zu Hitler“
(1947), die in Filmen des Weimarer Kinos eine kollektive Sehnsucht der Deutschen
nach einem Tyrannen zu erkennen glaubte, prägt die Wahrnehmung des Films
bis heute. Von den Mitwirkenden des Films, insbesondere den Drehbuchautoren
und den Architekten, verbreitete Erinnerungen und Anekdoten trugen maßgeblich
zur Legendenbildung um Das Cabinet des Dr. Caligari“ bei. Später
aufgetauchte Dokumente wie das Originaldrehbuch ermöglichten die Dekonstruktion
vieler Mythen.
Zur Restaurierung von Das Cabinet des Dr. Caligari
Bei der Restaurierung arbeitete die Murnau-Stiftung mit dem Bundesarchiv-Filmarchiv
in Berlin und weiteren Archiven zusammen. Neben Bertelsmann als Hauptsponsor
förderten auch die VGF Verwertungsgesellschaft für Nutzungsrechte
an Filmwerken und der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und
Medien das Projekt.
Die von Anke Wilkening geleitete Restaurierung erstreckte sich von April 2012
bis Januar 2014. Die Murnau-Stiftung führte dazu erstmals alle verfügbaren
filmischen Quellen zusammen, konkret die Materialien von nationalen Archiven
(Bundesarchiv-Filmarchiv in Berlin, Deutsche Kinemathek – Museum für
Film und Fernsehen in Berlin und Filmmuseum Düsseldorf) sowie von internationalen
Archiven (Archivo Nacional de la Imagen-SODRE, Montevideo; Cineteca di Bologna;
British Film Institute, London; Cinémathèque française,
Paris; Museum of Modern Art, New York; Cinémathèque Royale de
Belge, Brüssel; Fondazione Cineteca di Milano). Die Materialien wurden
in Wiesbaden analysiert und verglichen. Mit der technischen Umsetzung wurde
L’Immagine Ritrovata – Film Restoration & Conservation in
Bologna beauftragt. Dort erfolgten Scan, digitale Bildrestaurierung und das
Mastering in 4K-Auflösung.
Die restaurierte Fassung feierte ihre Weltpremiere bei der Berlinale am 12.
Februar 2014. Dabei kooperierte die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung mit
den Internationalen Filmfestspielen Berlin, der Stiftung Deutsche Kinemathek,der
Stiftung Berliner Philharmoniker sowie dem ZDF in Zusammenarbeit mit ARTE
und 2eleven || zeitgenössische musikprojekte. (Murnau Stiftung)
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