Nadel im Datenhaufen

Vom richtigen Umgang mit Suchmaschinen / Von Guido Augustin

 

Große Teile des menschlichen Wissens liegen für jedermann zugänglich im Internet vor - zumindest werden die Verfechter des weltumspannenden Computerverbundes nicht müde, dies zu betonen. Allein, was nützt interessierten PC-Besitzern die vage Ahnung, daß auf einem Rechner in Miami Rezepte für coole karibische Drinks gespeichert sein könnten? Die von ordnenden Hierarchien mehr oder weniger unberührte Struktur des Internet hat schon so manchen „Wissensdurstigen" in die Verzweiflung getrieben.

Abhilfe versprechen sogenannte Suchmaschinen. Darunter hat man sich kleine Softwareroboter vorzustellen, die zumeist im World Wide Web (WWW), dem populärsten Sektor des Internet, plaziert werden und vorzugsweise nachts selbsttätig durch die Datenleitungen wandern. Dabei überquerte Seiten und deren Inhalte werden auf einem Index abgelegt. Fragt dann ein Surfer bei einer Suchmaschine ein bestimmtes Schlagwort ab, wird es in diesem Index gesucht.

Digitale Detektive

 

Wegen dieser zeitaufwendigen Prozedur der permanenten Datensuche existieren allerdings kaum tagesaktuelle Nachrichten im Angebot der Suchmaschinen, denn die Inhalte des Internet ändern sich schneller, als es die digitalen Detektive erfassen könnten. Von diesen gelieferte Daten sind deshalb in der Regel viele einige Wochen alt.

Wer die Recherche-Werkzeuge effizient und nervenschonend einsetzen möchte, sollte sich zuvor mit der Funktionsweise dieser Programme vertraut machen. Die eiserne Regel dabei lautet, daß verliert, wer nicht differenziert. Prinzipiell jedoch kann man sich der Suchmaschinen sofort bedienen. Wer sich beispielsweise über „Marlene Dietrich" informieren möchte, wird von der beliebtesten deutschen Suchmaschine „Fireball" zunächst mit knapp 400 Einträgen versorgt.

Wenn man aber nur etwas über Marlene Dietrichs Film „Der blaue Engel" wissen will, kann man entweder blättern bis der neue Tag beginnt - oder die Suchkriterien genauer definieren, was in der Hilfefunktion („?") verständlich erklärt ist. Bei der Abfrage, + „Marlene Dietrich"’,+"Der blaue Engel"’ bleiben noch 37 Treffer, unter denen sich die gewünschte Information schnell finden läßt.

Die hierzulande unerreichte inhaltliche Tiefe in Kombination mit überdurchschnittlicher Geschwindigkeit machten „Fireball" innerhalb weniger Wochen nach dem Start zur Nummer eins unter den deutschen Suchdiensten: An einem typischen Tag in der ersten Oktoberwoche verzeichneten die Fireball" -Statistiker bereits bis neun Uhr morgens über 20 000 Zugriffe seit Mitternacht.

Wenn die Suche nicht auf deutsche Inhalte beschränkt ist, steht eine Reihe weiterer Dienste zur Wahl. Die bekanntesten darunter sind „Alta Vista" das innerhalb von „Fireball" mit einem Mausklick erreicht wird, und das sehr komfortable „HotBot". Daneben kann sich aber auch ein Ausflug zu „Lycos", „Infoseek" oder „Excite" lohnen. Die Programme stammen aus den USA und sollten daher mit englischen Kommandos gefuttert werden.

Immer wieder beeindrucken Zigtausende gefundene Seiten zu einzelnen Suchbegriffen und geben eine vage Ahnung von der Dimension des Internets. Aussagekräftig sind solche Zahlen aber nur begrenzt, denn Werte wie 400 000 Treffer in „Alta Vista" für „Shareware" suggerieren eine Genauigkeit, die in der Realität nicht existiert.

 

Das nämlich haben alle Suchmaschinen gemein: sie decken aufgrund der enormen Weitläufigkeit des Internet maximal die Hälfte des Netzes ab.

Deswegen können sich bei Spezialfällen die sogenannten Meta-Maschinen bewähren, die eine Anfrage gleichzeitig an verschiedene Suchmaschinen richten. Es gibt sie entweder als auf dem Computer zu installierende Hilfsprogramme oder aber im Internet, etwa vom Rechenzentrum der Universität Hannover. Allerdings stellen Meta-Maschinen zumeist in Sachen Komfort den kleinsten gemeinsamen Nenner dar.

Bislang werden die Dienste der Suchmaschinen im Internet kostenlos angeboten. Das bedeutet indes nicht, daß ihre Anbieter damit ein Verlustgeschäft machen würden. Im Gegenteil: Zum einen ähneln manche Programme mittlerweile durch auf ihren Oberflächen plazierte Anzeigen heftig blinkenden Litfaßsäulen. Zum anderen verbergen sich dahinter oft global denkende Organisationen. „Alta Vista" etwa wird von Digital Equipment, einem der größten amerikanischen Computerhersteller betrieben. Hinter „HotBot" steckt Sie Kultzeitschrift Wired, das Zentralorgan der Netsurfer. „Lycos" ist mit Bertelsmann verbandelt; „Fireball" schließlich entstand aus einer Kooperation zwischen der Technischen Universität Berlin und dem Verlag Gruner & Jahr.

Die Unternehmen haben die inhaltlichen Angebote der Suchmaschinen konsequent auf Profit getrimmt: Benutzer finden längst nicht mehr nur karge Suchzeilen, sondern auch vorgefertigte Rubriken wie Jobbörsen, Branchenverzeichnisse oder Surftips. Damit verschwimmt die Grenze zu den sogenannten Suchkatalogen, die oft mit den Suchmaschinen verwechselt werden und wahre Geldmaschinen sind.

Suchkataloge sind von Menschen erstellte Datenbanken mit einer den Suchmaschinen ähnelnden Befehlszeile. Anders als letztere suchen sie das Netz nicht automatisch ab, sondern sind auf Aktualisierung per Hand angewiesen. Der bekannteste Suchkatalog ist „Yahoo"; eine interessante deutschsprachige Alternative stellt „Dino" aus Göttingen dar. Schon der Begriff „Katalog" verrät, was diese Programme de facto sind: elektronische Gegenstücke zu den guten alten Gelben Seiten". Im Netz ist die Suchfunktion der Köder für die surfende Kundschaft, das lukrative Reklameumfeld besetzen die gleichen Konzerne, die auch in Zeitung, Funk und Fernsehen Werbeflächen buchen. Und so verwundert es nicht, daß „Yahoo", das erst 1995 gegründet wurde, bereits auf einen Börsenwert von über zwei Milliarden Dollar taxiert wird.

("Nadel im Datenhaufen" aus: Nürnberger Nachrichten, 7./8. Februar 1998, Wochenendbeilage)

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