Pressespiegel
   
 
 

Ein Lehrer kümmert sich um sieben Berufsschüler

An der B4 wurden gute Erfahrungen mit einer eigenen Klasse für die Einstiegsqualifizierung Jugendlicher gemacht

VON MICHAEL KASPEROWITSCH

Von einem großen Erfolg mit der so genannten Ein­stiegsqualifizierung Jugendlicher (EQJ) sprechen die Ver­antwortlichen der Kaufmännischen Berufsschule 4 in der Schönweißstraße nach ihren Erfahrun­gen mit diesem "Türöffner zur Ausbil­dung". An der B 4 gibt es nach dem Start Anfang 2005 mit einer Klasse im kommenden Schuljahr drei EQJ‑Klassen. Bisher bekamen danach rund 80 Prozent der Schüler einen Ausbil­dungsplatz.

Vor zwei Jahren hatten sich die Spit­zenverbände der deutschen Wirt­schaft im nationalen Pakt für Ausbil­dung unter anderem verpflichtet, ins­gesamt 25 000 EQJ‑Plätze zur Verfü­gung zu stellen. Dabei handelt es sich um sechs‑ bis zwölfmonatige Prak­tika, die möglichst in eine Ausbil­dungsstelle münden sollen. Sach‑ und Personalkkosten übernehmen dabei die Betriebe, die Bundesagentur zahlt den Jugendlichen einen Zuschuss zum Lebensunterhalt in Höhe von 192 Euro monatlich. Für die Sozialversi­cherung ihrer EQJler bekommen die Firmen 102 Euro im Monat.

Schon 416 Verträge

Die Industrie‑ und Handelskammer (IHK) Nürnberg hatte im Ausbildungs­jahr 2004/2005 707 EQJ‑Plätze ange­boten, von denen aber nur 158 besetzt waren. Schon damals bekamen davon aber die meisten einen Ausbildungs­platz. Im kommenden Ausbildungs­jahr gibt es 536 Plätze, aber bereits 416 abgeschlossene EQJ‑Verträge.

Die ursprüngliche Absicht des Pak­tes, die Praktikanten in einer beliebi­gen Fachklasse einzuschulen, hatten B‑4‑Schulleiter Alexander Liebel und seine zuständigen Kollegen für wenig Erfolg versprechend gehal­ten. An der B 4 ‑ sie bildet unter anderem in den Bereichen Bank, Groß- ­und Außenhandel, Steuer oder Versicherung aus ‑ ist der Anteil von Haupt­schülern schon seit Jahren sehr niedrig. Bei den künf­tigen Bankkaufleuten etwa sitzen mehrheitlich Abiturienten. Unter die­sen Umständen wäre ein Scheitern der EQJ‑Schü­ler programmiert, zumal sie jeweils erst mehrere Monate nach Schulbeginn eintreffen. Die B4‑Lei­tung beschloss daher, eigene EQJ‑Klassen für einen Acht‑Wochenstun­den‑Unterricht zu schaf­fen. Fünf Lehrer sind dort für insgesamt rund 25 Schüler im Einsatz.

Peter Kührt und seine Kollegen an der B 4 haben dafür drei "Qualifizierungsmodule" entwickelt: Finanzierung, Arbeits- und Berufswelt sowie Projektdarstellung und Arbeitsmarkt. Dabei lernen die Schüler unter anderem Buchführung, Tabel­lenkalkulation, Internet-Recherche oder Englisch. Für Kührt sind die kleinen Klassen mit ausschlaggebend für den Erfolg: Bei jeweils sieben Schülern und einem Lehrer sind alle Schüler permanent gefor­dert." Der kleine Kreis erschwere zudem den "Rückfall in alte schu­lische Verhaltensgewohnheiten", gemeint sind Schwätzen, geistiges Abtauchen oder einfach Desinteresse.

Für Unternehmen und Jugendliche sind die bisherigen Erfahrungen absolut positiv“, sagte Schulleiter Liebel in einer ersten Bilanz, "die Betriebe tasten sich mit der EQJ an die Ausbil­dung heran, und die Schüler bekom­men nach bisher oft enttäuschender Suche eine Chance zu zeigen, dass sie auch großes Inte­resse an einem Aus­bildungsplatz ha­ben. "

Nur eine Minder­heit von Firmen missbraucht,  so Peter Kührt, die gute Idee EQJ, um vorübergehend billige Mitarbeiter mit finanzieller Unterstützung des Staates einzustellen, ohne ernsthaft eine Ausbildung des Praktikanten in Erwä­gung zu ziehen. Nur Einzelne beschäftige einen EQJ-Mittarbeiter nach dem anderen. Zu Kührts Überraschung rechnen viele Betriebe die EQJ‑Zeit sogar auf die folgende Lehrzeit an.

Zu den diesjährigen erfolgreichen EQJlern gehört Franziska Esrig. Nach dem Abschluss der Wirtschaftsschule hat sie gut 50 Bewerbungen geschrie­ben ‑ vergeblich. "Mein erstes Vorstel­lungsgespräch war ein kompletter Reinfall", erzählt sie, "ich war total aufgeregt und habe ziemlich rumge­stottert." In ihrem neunmonatigen Praktikum bei einem Großhandelsun­ternehmen hatte sie Gelegenheit, die Kollegen langsam kennen zu lernen und sich zurechtzufinden. Jetzt liegt ihr Ausbildungsvertrag bereits auf dem Tisch ihres EQJ‑Chefs.

Verbesserungen sind für Liebel und Kührt trotz des bisherigen Erfolgs möglich. Es würde die Arbeit der Päda­gogen an der B 4 wesentlich erleich­tern, wenn die Praktikanten alle zum gleichen Zeitpunkt mit der Schule beginnen könnten. Bisher verteilt sich der Start über mehrere Wochen.

Um möglichst alle Betriebe und in­teressierte Jugendliche zu erreichen, hat das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung im Rahmen eines vom Bayerischen Wirtschaftsministerium geförderten Projekt eine Praktikums­börse entwickelt. Sie ist im Internet unter www.eqj‑bayern.de zu errei­chen. 

 

Foto: Kasperowitsch

(Quelle: NN, 10.08.2006)