Deutsche Schüler und deutsche Schule im freien Fall
Kritische Anmerkung zur Zukunft unseres Bildungssystems
 

Es war nur ein Treffen der Volleyballkolleg/innen aus verschiedenen Nürnberger Berufsschulen... Ich war in den letzten 30 Jahren kaum einmal so deprimiert und fassungslos.

Ein kleiner Ausschnitt:

- Schülerin versetzt wegen Schwätzen, Toilette, 15 Minuten später der Vater bei der Schulleiterin wegen Mobbing, Lehrer diskriminiert die Schülerin

- Angeblich neues Gerichtsurteil, dass man jedem Schüler vor jeder (!!!) Ex etc. sagen muss, dass man nicht spicken darf, sonst kann Spicken nicht geahndet werden - die armen Schüler können das ja nach Meinung des Richters sonst nicht wissen, dass sie nicht spicken dürfen

- Schülerin 3 Wochen Krankmeldungen in EDV, klärendes Gespräch mit der Schülerin, "Das kann doch nicht so weiter gehen, Sie als junges Mädchen haben doch noch ihr ganzes Leben vor sich" - Intervention bei der Schulleiterin wegen Beleidigung, keine "junges Mädchen mehr, sondern eine Frau", 15 Minuten Gespräch bei der Schulleiterin wegen Diskriminierung und Beleidigung

- Schülerin (alle Vorfälle aus BVJ- und Büroklassen) schreit minutenlang im Unterricht herum und erhält daraufhin einen Verweis, Schulleiterin meint, dass sie ja nicht dabei war, 15 Minuten Gespräch bei der Schulleiterin wegen Diskriminierung...

- Schüler der Klasse schreiben jedes Wort mit, da der Vertrauenslehrer gesagt hat, dass das bei Streitigkeiten wichtig ist, ansonsten sind die Schüler grottenschlecht und lernunwillig

- Eltern kümmern sich um überhaupt nichts, sind aber Minuten später bei der Schulleitung etc. präsent, wenn ihren lieben Kleinen etwas beredet wird

- an einer anderen kaufmännischen Berufsschule gibt es mit 15 BVJ-Schülerinnen mehr Probleme als die gesamte Schule mit 2.300 Schülern jemals nach dem Krieg hatte (herausgetretene Türen, Sozialarbeiter im Dauereinsatz, Schlägereiein, massives Mobbing unter den Damen) - die Schule hatte in den letzten Jahren mit allen Arbeitslosenklassen herausragende Erfolge und Berufsvermittlungen

- bei der IHK-Prüfung an einer anderen Berufsschule sind unter mehreren anderen drei farbige Mädels durchgefallen: massiver Vorwurf wegen Rassismus an der Schule

- Lehrer sagt in einer chaotischen BVJ-Klasse: "Meine siebenjährige Enkelin ist ja besser organisiert als ihr!" - Beschwerde des Klassensprechers bei der Schulleiterin, weil er sich persönlich beleidigt fühlt, 15-minütige Besprechung bei der Schulleitung wegen beleidigendem Verhaltens des Lehrers

und so ging das vier Stunden lang, alles Vorfälle aus Nürnberger Berufsschulen und aus diesem Schuljahr, ein Wahnsinn.

Nürnberg hat das zweitgrößte kommunale Schulwesen in Deutschland und eigentlich ein ziemlich gutes Schulwesen, gerade was EDV-Ausstattung, Übergangsmanagement Schule - Beruf, Lernförderung usw. angeht. Aber auch uns hat der Zeitgeist offenbar inzwischen erreicht.

Die Kollegen sagen, die Probleme mit Schülern hätten sich in den letzten ein, zwei Jahren so massiv gesteigert. Die Schüler/innen kommen alle schon so von anderen Schulen, regen sich über alles sofort auf, beschweren sich über alles, es geht immer sofort um Benachteiligung, Diskriminierung, wilde Vorwürfe an die Lehrer und die Schule - und allen Kollegen und Vorgesetzen ziehen den Schwanz ein und beschwichtigen. Es gibt an einer Schule schon tägliche Gesprächskreise, in denen sich die Lehrer anhören müssen, was die Schüler wünschen.

Und die Lehrer diskutieren und teamen wegen dieser "armen benachteiligten Schüler/innen"  stundenlang und überlegen sich pädagogische Lösungen und Hilfestellungen etc. Die Schulleitungen sind im Dauereinsatz.

Bin zum ersten Mal in meinem Leben glücklich, dass ich nicht mehr im Dienst bin.

Unser Bildungssystem ist offenbar im freien Fall. Alle Lehrer haben Angst, Position zu beziehen und etwas falsch zu machen. Die blödsten und dööfsten Schüler haben alles drauf, um sich zu behaupten. Die Gesellschaft sieht nur die armen Benachteiligten, denen man helfen muss. Die RTL-Nachmittagssendungen werden zum pädagogischen Alltag in Deutschland. Die Szenen und Bilder, die man von Berliner Schulen kennt, ziehen offenbar auch in den bayerischen Schulalltag ein.

Und Gesellschaft und Politik fördern dies noch, sicherlich unbewusst, aber ohne Zweifel. Die Schüler sind nicht mehr frech und faul - die Armen wurden benachteiligt. Dass sie nichts lernen, den Unterricht stören, andere am Lernen hintern und mobben - das ist völlig egal, es ist der Lehrer, der schuld ist, weil er keine pädagogischen Lösungen findet.

Die Schuldfrage wird faktisch umgekehrt. Der Blödste, Lernunwilligste und Aggressivste kann nichts für sein Schicksal, der böse Lehrer ist schuld. Dass die Eltern ihre lieben Kleinen genauso erzogen haben, nicht ermuntert und unterstützt und nicht einmal zum Schulbesuch angehalten haben, ist auch egal - die armen Benachteiligten können natürlich auch nichts dafür und müssen auch unterstützt werden.

Natürlich kann man immer wieder sagen, dass auch im alten Rom über die Schüler gejammert wurde - aber wir können z.B. für unsere Abteilung (Kreditwirtschaft) eindeutig nachweisen, dass sich die Leistungen und Fähigkeiten der Schüler in den letzten 30 Jahren massiv verschlechtert haben. Sie können etwas besser reden und präsentieren, aber alles andere hat sich verschlechert. Solche Azubis, wie wir heute im Klassenzimmer sitzen haben, hätten die Banken früher niemals eingestellt. Und der größte Teil der heutigen Schüler wäre bei den früheren mündlichen IHK-Prüfungen mit Pauken und Trompeten durchgefallen. Gut, dass man in der heutigen Bankenwelt nur noch reden, aber nichts mehr wissen muss.

Wenn man als Maßstab heranzieht, dass die chinesische Frau eines Freundes nach sechs Monaten in Deutschland fast fließend Deutsch spricht und ihre Tochter trotz Sprachbarriere jetzt das Abitur angeht - und dabei dauernd klagt, dass sie von ihren Lehrern nicht genug gefordert wird und zu wenige Hausaufgaben erhält - , dann kann einem um Deutschland und seine Wirtschaft nur noch Angst und Bange werden.

Was wir brauchen ist keine Förderung mehr, sondern ein Fordern. Wer sich trotz immenser Förderung nicht einmal bemüht, muss ausgesondert und sanktioniert werden. Auch die Eltern. Wir vergeuden immense Mittel und personelle Kapazitäten, um lernunwillige Looser zu bitteln und zu betteln - Ressourcen, die den vielen biederen, braven, lernwilligen Schüler/innen seit Jahren fehlen.

Was wir brauchen sind harte Sanktionen, wenn Schüler sich nicht regelgerecht verhalten. Was wir brauchen ist Rückendeckung für alle Kolleg/innen, die sich auch einmal trauen, nicht regelgerechtes Verhalten der Schüler zu sanktionieren.

Wir brauchen keine Kuschelpädagogik mehr, sondern wir müssen Leistung verlangen. Knallhart. Sonst arbeiten wir in 20 Jahren alle bei chinesischen Unternehmen.
  
Klingt nicht nett, ist aber so.

 

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